2015 fand Hans Schneider auf dem Schäfferkaspar-Anwesen im Hartbeckerforst beim Abbruch eines Stadels dieses Relief der Heiligen Barbara. Ein schwerer Nagel wurde recht rüde mitten durch den Hals der anmutigen Dame geschlagen – ein Martyrium, das mit ihrer Legende nichts zu tun hat!
Diese erzählt von der Tochter des reichen griechischen Kaufmanns Dioskoros in Nikomedia, dem heutigen Izmit in der Türkei, die 306 den Märtyrertod starb. Man munkelt, dass sie von ihrem heidnischen Vater in einen Turm eingeschlossen wurde, weil dieser, blind vor Eifersucht, die Heirat der bildschönen jungen Tochter verhindern wollte. Während er auf Reisen war, ließ sie sich heimlich taufen.
Auf der dramatischen Flucht vor ihm entkam Barbara durch eine Bergspalte und wurde von einem Hirten aufgenommen – der sie schließlich verriet. Ihr Vater, der sie dem Gericht überantwortet und dann eigenhändig enthauptet hat, wurde zur Strafe von einem Blitzschlag getroffen. Deshalb wird Barbara mit dem Blitz in Verbindung gebracht, und bei Stürmen betet man zu ihr.
Unsere Barbara hing über viele Jahrzehnte – oder gar Jahrhunderte? – im Firstgiebel eines Stadels im Hartbeckerforst. Trotz der Zeichen der Zeit verrät ihre exquisite Schönheit, dass sie von nobler Herkunft ist. Doch wie kam dieses herrliche Relief vom Flügel eines spätgotischen Altars an eine Stadelwand?
Dazu befragt, weist sie Paul Arnold, ein anerkannter Forscher zur Bildhauerei der deutschen Gotik und Renaissance, dem Landshuter Bildschnitzer Jörg Rot zu, der zur Zeit des großen Bildhauers Hans Leinberger lebte. Wir wissen nur wenig von ihm: 1509 erwarb er in Landshut das Bürgerrecht, 1552 taucht sein Name als Mesner der Stiftskirche St. Martin auf. Falls es derselbe Mann ist, war er zu diesem Zeitpunkt für seine Zeit bereits ungewöhnlich alt.
Man darf bei der gehobenen Qualität der Barbara ihre Herkunft aus einer bedeutenden Kirche vermuten, die möglicherweise von einem besonders noblen – und solventen – Stifter oder Schutzherrn unterstützt wurde. Da fiele einem der Ritter und Pfleger Sigmund Puecher aus Buch ein, dessen Grabstein, von Hans Leinberger gestaltet, sich im Kastulusmünster zu Moosburg befindet.Nun muss nicht immer eine Kirche zerstört werden, damit ihre Figuren in der Gegend verstreut werden. Oft sind es lediglich die spätgotischen Altaraufsätze, die dieses Schicksal im Lauf der Jahrhunderte ereilte. Vielleicht schmückte unsere Barbara einst die Tiefenbacher Kirche, aus der 1974 spätgotische Figuren gestohlen wurden. Zwei davon legen selbst anhand der schlechten Zeitungsfotos ebenfalls den Bildschnitzer Jörg Rot als Künstler nahe – derselbige, der wohl auch die Barbara schuf.
Das Retabel, in dem die bis heute verschollenen Figuren, speziell die Heiligen Urban und Johannes, zu Anfang des 16 Jahrhunderts standen, könnte durchaus eine Barbara beherbergt haben. Dies wäre eine schlichtweg ideale Kombination für Winzer: Urban mit seinen Weintrauben, Johannes und Barbara mit dem Kelch als Attribute. Doch ob es damals Weinbau in Tiefenbach gab?
Dieses Rätsel können wir jetzt nicht lösen. Doch vielleicht das Rätsel, warum uns die Schönheit der Barbara heute noch so faszinieren kann.
Sie trägt sichtbar die Spuren der langen Zeit und ihres Schicksals. Sie hat, wenn auch sichtbar gezeichnet, standgehalten. Und das macht sie umso kostbarer. Nicht nur das Vollkommene, gut Erhaltene und Funktionelle hat seinen Wert. Dass Schönheit auch in Versehrtheit liegen kann, beweist unsere Barbara hier im Neuen Geschichtsboden eindrucksvoll.